Sektorenflotte: Armada wird eine Armada

Das lange Schweigen ist gebrochen! Das lange Schweigen seitens FFG, da es gestern endlich mal wieder einen Artikel gab - und mein langes Schweigen, da ich endlich hier mal wieder etwas schreibe.

Gestern also hat FFG einen Artikel veröffentlicht (zum Lesen hier klicken), in dem die Regeln (genannt Sektorenflotte-Regeln) für Armada-Spiele jenseits der 400-Punkte-Marke vorgestellt wurden (zum Herunterladen der Regeln hier klicken).

Den Inhalt des Regeldokuments kann man in zwei Teile gliedern. Zum einen sind die Regeln für Spiele jenseits der 400-Punkte-Marke enthalten. Zum anderen sind Mehrspielerregeln für diesen Punktebereich aufgeführt.

Der heutige Artikel will sich ausschließlich mit den Regeln für Spiele jenseits der 400-Punkte-Marke beschäftigen. Schauen wir uns einmal an, was genau diese Regeln besagen:

  • Flotten werden in einer Stärke von wahlweise 600, 800, 1000 oder 1200 Punkten je Seite erstellt.
  • Eine Flotte kann nicht mehr als 3 Flottillen enthalten
  • Maximal ein Viertel der maximalen Flottenpunkte können für Staffeln ausgegeben werden.
  • Wenn mit 1000 oder 1200 Punkten gespielt wird, wird ein sogenannter erweiterter Spielaufbau (Extended Setup) verwendet. Das bedeutet, dass der Aufstellungsbereich in Reichweite 3 von den kurzen Spielfeldrändern beginnt (anstatt in Reichweite 5 wie normal).
  • Es gibt eine neue MoV-Tabelle, um die Turnierpunkte für Sektorenflotten-Partien festzulegen.

Und das wars schon. Schauen wir uns einmal an, was dies heißt: Armada ist ein Spiel das für 400-Punkte-Flotten konzipiert und daraufhin ausbalanciert wurde. Welche offensichtliche Faktoren im Spiel gibt es, die aus den Fugen geraten, sobald man die 400-Punkte-Marke überschreitet? Hier ein paar davon:

  1. Einige Flottenkommandanten verlieren deutlich an Wert, nämlich jene, die nur eine Einheit betreffen oder einen Erschöfpungseffekt haben: Raddus, Rieekan und der noch nicht erschienene Piett. Da ihre Fähigkeiten maximal ein bis zwei Einheiten pro Runde betrifft, verlieren sie relativ an Wert, sobald viel mehr Einheiten auf dem Spielfeld stehen.
  2. Die Balance der Flottenkommandanten gerät aus dem Gleichgewicht. Ackbar ist 18 Punkte teurer als Ozzel. Wenn man im Standardspiel eine Ackbar-Flotte baut, muss man dafür einen Aufschlag gegenüber Ozzel von 4,5% der Gesamtflottenpunkte entrichten, um seine höhere Stärke auszugleichen. Da Flottenkommandanten normalerweise die gesamte Flotte stärker machen (nicht nur einzelne Schiffe; Ausnahmen siehe vorheriger Punkt), profitiert auch bei Sektorenflotten die gesamte Flotte. Aber in einem 1200-Punkte-Spiel sind es gerade mal noch 1,5% an Flottenpunkten, die Ackbar teurer ist. Die Balance, die zwischen den Flottenkommandanten besteht, gerät aus dem Gleichgewicht.
  3. Flagschiffe werden relativ weniger wert. Ein Flottenkommandant wertet im Standardspiel die Siegpunkte, die man für die Zerstörung des Flagschiffes erhält, um ca. 5 bis 10% der maximalen Flottenpunkte auf. Bei einem 1200-Punkte-Spiel sinkt dies auf fast 1,5 bis 3% herab. Flagschiffe sind somit weniger lukrative Ziele als zuvor.
  4. Flottenkommando-Aufwertungen werden unverhältnismäßig stark. Im Gegensatz zu allen Aufwertungskarten, die keine Flottenkommandos sind, bringen Flottenkommando-Aufwertungen einen Vorteil, der sich über die ganze Flotte erstreckt. Dieser Vorteil muss jedoch teuer erkauft werden. Dies zeigt sich weniger an den Kosten der Aufwertungskarte selbst als daran, dass zuerst ein enstprechendes Schiff in die Flotte aufgenommen werden muss (Pelta, Cymoon oder ein anderer ISD mit dem Schimären-Titel) und vor allem die Flotte so gebaut sein muss, um die Aufwertungskarte konstant mit dem entsprechenden Kommadomarker zu füttern. Das heißt zu den 5 bis 6 Punkten für die Aufwertung kommt nochmal ein wenig dazu, konservativ gerechnet wohl etwas um die 10 Punkte. Damit sind wir bei ca. 4% der maximalen Flottenpunkte. Beim 1200-Punkte-Spiel sind das wiederum nur knapp über 1%. Flottenkommando-Aufwertungen werden also extrem stark. Besonders problematisch daran ist, dass sie den Rebellen nur über ein Schiff zur Verfügen stehen, welches ein Nischendasein fristet (Pelta), während sie dem Imperium auf einem ihrer besten Schiffe offen stehen.
  5. Navigation und Aufstellung verliert an Bedeutung: Bei einer regulären Armada-Partie wird ein Großteil des Spielfeldes nie von einem Schiff erreicht. Und das ist gut so. Die Größe des Spielfeldes erlaubt es nämlich, Bereiche zu meiden und so den Gegenspieler auszumanövrieren oder eine viel bessere Startaufstellung zu haben. Wenn jedoch die Flottengröße auf das dreifache und mehr anschwillt, wird es gedrängt voll auf dem Spielfeld. Der Aufstellungs- und Manövrierspielraum schwindet, was die Entscheidungsvielfalt einschränkt.
  6. Der Vorteil des ersten Spielers wird  kleiner. Der erste Spieler hat normalerweise den immensen Vorteil, dass er die erste Aktivierung einer Runde hat. Jeder erfahrenere Armada-Spieler weiß, wie gewichtig dies ist. Man kann ein Schiff schnell in Sicherheit fliegen oder einen lethalen Angriff an zentraler Stelle ausführen. Bei dreifacher Flottengröße ist es jedoch so, dass so viele Einheiten auf dem Spielfeld sind, dass es automatisch gleich mehrere Schauplätze gibt, wo Schiffe in arger Bedrängnis sind. Mit der ersten Aktivierung kann ich zwar noch immer am wichtigsten Schauplatz entscheidende Veränderung erreichen, aber dem zweiten Spieler werden sich noch genug andere Schauplätze bieten, um diesen Vorteil teilweise zu kompensieren.
  7. Einige Einsatzziele verlieren deutlich an Wert oder passen nicht zu den vielen Einheiten: Die Einsatzzielkarten sind so konzipiert, dass sie den Vorteil des ersten Spielers aufwiegen sollen. Einige verlieren jedoch relativ an Wert. Beispielsweise sind die maximal 120 Punkte, die es beim Umkämpften Außenposten zu holen gibt 30% der maximalen Flottenpunkte. Bei Flotten dreifacher Größe fällt dies als 10% deutlich weniger ins Gewicht. Umgekehrt gibt es Einsatzziele, die nichts an ihrem Vorteil für den zweiten Spieler einbüßen: Beispielsweise der Kurzreichweiten-Datenscan kann bei jeder Schiffaktivierung mir einen Vorteil in Form einer festen Siegespunktzahl bieten. In gleichem Maße, wie die Schiffsanzahl anwächst, wachsen damit die möglichen Siegpunkte an. Ein weiteres Problem ist, dass es ein wenig behäbig wird, wenn sich zwei 1200-Punkte-Flotten um einen einzelnen Umkämpften Außenposten scharen. Andauerndes Rammen und stark beengter Manövrierraum wird die Folge sein.

Wie gehen die Sektorenflotten-Regeln auf diese Schwierigkeiten ein? Die Probleme 1 bis 4 werden vollständig ignoriert. Ich muss gestehen, dass ich damit leben kann. Zwar entstehen dadurch ein paar Unwuchten, aber nichts davon scheint mir spielbedrohend zu sein. Ganz anders sieht es mit den Problemen 5 bis 7 aus:

  • Zwar vergrößern die neuen Regeln das Spielfeld, jedoch geschieht dies erst ab 1000-Punkte-Partien. Selbst bei doppelter Flottengröße (800 Punkte) wird noch immer der reguläre Spielbereich genutzt. Auch die Vergrößerung selbst ist minimal. Klüger war die Lösung, die es beim Konflikt um Corellia gab. Schon bei 1000 Punkten gab es dort keinen Abstand des Aufstellungsbereichs zum kurzen Rand der Spielfeldfläche - und die gesamten Flotten waren auf Grund der Reserveregeln gar nicht von Anfang an auf dem Spielfeld. Großer Manövrierspielraum war somit noch immer gegeben.
  • Was die Probleme #6 und #7 angeht, leisten die Sektorenflotten-Regeln gar nichts. Vielleicht wurden sie in der Hoffnung konzipiert, dass der geringere Vorteil des ersten Spielers (Problem #6) sowie der geringere Wert einiger Einsatzzielkarten (Problem #7) sich gegenseitig aufheben. Diese Rechnung geht aber nicht auf: Denn es gibt noch immer einige Einsatzziele deren Wert nicht geschmälert wird. Diese wären dann überverhältnismäßig stark. Wenn aber umgekehrt der Vorteil des ersten Spielers viel weniger an Wert verlöre als manche Einsatzzielkarten, so wären diese plötzlich nahezu wertlos. Wie man es dreht und wendet, die Balance gerät aus den Fugen. Aber das Problem greift noch viel tiefer: Selbst wenn Einsatzzielkarten und Vorteil des ersten Spielers in gleichem Maße an Wert verlören, stellt sich die Frage, warum man noch die Asymmetrie im Spiel haben will. Wenn erster Spieler und Einsatzzielkarten derart marginalisiert werden, hätte man diese Elemente für Spiele deutlich jenseits der 400-Punkte-Marke vielleicht auch einfach sein lassen sollen.

Die Analyse der Sektorenflotte-Regeln ist sehr ernüchternd. Und das ist auch nicht verwunderlich: Wenn man die Regelzusammenfassung oben anschaut, wird man feststellen, dass sich die Regeln (mit Ausnahme der lediglich turnierrelevanten MoV-Tabelle) auf gerade einmal vier mickrige Sätze in einem Dokument von vier Seiten beschränken. Kein Wunder, das ein derart ausgefeiltes System wie Armada für einen solch tiefgehenden Eingriff wie eine Verdreifachung der Punktezahl mehr Arbeit bedurft hätte. Der einzig wirkliche Vorzug der Sektorenflotte-Regeln scheint mir zu sein, dass damit endlich Spiele jenseits der 400-Punkte-Marke offiziell sind und weniger Leute durch die mangelnde Regelkonformität sich abschrecken lassen..

Wie geht man jedoch mit den aufgezeigten Misständen um? Gut, dass Darth Veggie Euch die Arbeit bereits abgenommen hat! Kurz vor Weihnachten habe ich einen ausführlichen Vorschlag für Epic Play-Regeln im FFG-Forum gemacht. Vielleicht komme ich nächste Woche dazu, den hier vorzustellen. Bis dahin: Esst ein paar Sith-Karotten!

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Dr. Strange/Triangularer (Donnerstag, 07 Februar 2019 16:52)

    Danke für die sehr nüchterne Analyse. Im FFG Forum überwiegt noch die große Begeisterung darüber, dass man jetzt 1.200 FP-Flotten basteln "darf". Aber ich sehe darin keinen großen Spaß. Und gedurft hätte ich das vorher auch schon. Es gibt ja keine Armada-Polizei. Es war bisher schon möglich, sich auf andere Punktelimits zu einigen.
    Dreimal habe ich das gemacht und Spiele um die 1.000 FP gespielt. Alle drei haben sechs Stunden und länger benötigt. Oft sind wir gar nicht fertig geworden und haben erschöpft aufgegeben. Was auf dem Papier nach einer Verdreifachung des Spielspaß aussieht ist vor allem eine Verdreifachung der Anstrengung!
    Dass in den "neuen Regeln" eigentlich nichts neues drinsteht und sich scheinbar niemand auch nur im Ansatz Gedanken gemacht hat, wie man ein Spiel über 600 Punkte verändern muss, um es spielbar zu machen, ist für mich eine riesige Enttäuschung.
    Und ich sage das als derjenige, der die letzten zwei Jahre den Armada-Wiki praktisch im Alleingang betreut und entwickelt hat. Ich habe mich diesem Spiel in fast unvernünftigem Ausmaß gewidmet. Ich habe es gefördert wie ich konnte und FFG verteidigt, wenn die Firma kritisiert wurde.
    Aber das, was sie dieses Mal abgeliefert haben, ist ... ein bisschen lauwarme Luft. Schade drum!

  • #2

    Darth Veggie (Montag, 11 Februar 2019 12:42)

    Ich kann mich Deinen Punkten nur anschließen. Mir war unklar, warum die offiziellen Regeln die Spieler von größeren Runden abgehalten hat. Allerdings muss ich sagen, dass mir eine größere Runde riesigen Spaß gemacht hat. Es war ein 2 x 1500 Punkte-Spiel - und ich habe es enorm genossen. Allerdings habe ich es auch in mehreren Etappen via Vassal gespielt. Das mag die Situation ändern.